Montag, 26. November 2007

Zufall und Glück

Es ist schon erstaunlich, welch riesigen Einfluss der Zufall auf unser Leben hat. Der von der Evolution jahrtausendelang geschliffene menschliche Geist ist ja gerade daraufhin angelegt, die Umwelt zu kontrollieren, um den Zufall zu überlisten und das Unvorhergesehene zu meistern. Jedoch gilt dies, wenn man das ganze Bild betrachtet, nur im Kleinen, Alltäglichen. Mit den großen Prämissen dagegen, die die Welt um uns herum erst ermöglicht haben, die die Fundamente unseres Daseins gelegt haben, wurden wir ohne unser Zutun gesegnet. Wenn man sich das vergegenwärtigt, wird man schnell bescheiden, weil man unverdient so viel Glück gehabt hat.

Zuerst zum Grundlegenden: Unser Universum hat genau die richtigen Werte für physikalische Kräfte und Konstanten, die es ihm ermöglichen, so lange durchzuhalten, damit Leben, so wie wir es kennen, entstehen kann. Wäre die Gravitationskraft ein bisschen stärker, wäre das Universum nach dem Urknall rasch in sich zusammengestürzt. Hätten die Starke und die Schwache Wechselwirkung einen anderen Wert, wäre die Kernreaktion in den Sternen anders verlaufen. Ohne lange brennende Sterne gäbe es keine schweren Elemente wie zB Kohlenstoff, und damit kein kohlenstoff-basiertes Leben. Die Wucht des Urknalls durfte nicht zu groß gewesen sein, denn dann würde die Materie sinnlos auseinanderfliegen, ohne Galaxien und Sonnensysteme formen zu können. Die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Oft "vertragen" diese Werte und Größen nicht einmal Abweichungen im Prozentbereich. Es gibt sogar Naturkonstanten, deren "Feinabstimmung" mit 1 zu einer 1 mit 120 Nullen angegeben wird. Dieses fragil ausbalanciertes Kartenhaus aus physikalischen Basiswerten und Kräften macht die Welt und uns selbst erst möglich.

Steigen wir herunter zu einer kleineren Skala: der Erde und dem Sonnensystem. Das Sonnensystem liegt in der genau richtigen Distanz zum Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße: Wäre es näher, würden wir von der Gamma-Strahlung aus der Mitte der Galaxie geröstet, und umherfliegende andere Sterne würden die Laufbahnen unserer Sonne und Planeten durcheinanderwirbeln und sie zur Kollision bringen. Die Erde ist im genau richtigen Abstand zur Sonne, damit das lebensnotwendige Wasser nicht gefriert (Mars), aber auch nicht verdampft (Venus). Wir haben einen netten Mond an unserer Seite, der nicht nur schön anzuschauen ist, sondern auch die Erdachse stabilisiert. Sonst könnten wir alle vier Jahreszeiten innerhalb eines Monats erleben - keine Umwelt, die stabil genug wäre, um Leben hervorzubringen. Ebenso nett ist der riesige Jupiter, der von außen kommende Kometen und Asteroiden, die potentiell lebensgefährlich sind, mit seiner zerschmetternden Gravitation abfängt und so den kosmischen Staubsauger gibt. Eine ganz und gar gemütliche Umgebung also.

So, jetzt sind wir Menschen endlich entstanden in einem mit richtigen Konstanten versehenen Universum und in einem maßgeschneiderten Sonnensystem. Jetzt können wir endlich nach unserem Gutdünken walten und mit unserem messerscharfen Sinn uns die Erde untertan machen, stimmt's? Nein, stimmt nicht. Wenn wir denken, dass wir Angehörige der Ersten Welt nur aufgrund unserer grenzenlosen Genialität zivilisatorisch so weit fortgeschritten sind, dann irren wir uns - allein unser Verdienst ist es nicht. Rein zufällig gab es gerade im Nahen Osten genau die richtige Kombination von domestizierbaren Pflanzen und Tieren, die unsere Vorfahren zur Landwirtschaft brachte. Nur die Landwirtschaft bietet nämlich genügend Nahrungsüberschuss, um Städte zu gründen und "Spezialisten" zu ernähren, die sich Gedanken über das Rad, die Schrift, die Politik und die Nintendo-Playstation machen. Nur sie stattet uns mit Resistenzen gegenüber Keimen tierischen Ursprungs aus, mit denen wir dann die eingeborenen Völker Amerikas, Afrikas und Australiens ansteckten und fürchterlich dezimierten, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Rein zufällig ist das Kontinent Eurasien in die Länge gestreckt (während Afrika und Amerika eher von Nord nach Süd verlaufen), so dass sich die siegverheißende Landwirtschaft bei uns in ungefähr derselben klimatischen Zone vom Mittelmeerraum bis nach China ausbreiten konnte. Nicht umsonst sind dort, und nicht in Sibiren oder im Amazonas-Delta die ersten Hochkulturen entstanden. Wenn wir uns also heute im schönen warmen Zuhause räkeln und auf den Computermonitor glotzen, und nicht etwa im Busch Würmer braten, dann fast ausschließlich deswegen, weil vor 13.000 Jahren in Palästina die richtigen Sträucher wucherten und die richtigen potentiellen Nutztiere herumpupsten. Primitive dem Kannibalismus frönende Völker hätte es auch in Europa noch heute geben können, wie es sie noch heute in Amazonas-Delta gibt.

Und schließlich: Das Individuum selbst. Die Anzahl der möglichen Genkombinationen ist so unbeschreiblich riesig, dass die Chance für jeden von uns, so wie er ist, auf die Welt zu kommen, mikroskopisch gering ist. Und trotzdem bin ich da und Du, der Du das liest, auch. Richard Dawkins bringt es auf den Punkt:
" The potential people who could have been here in my place but who will in fact never see the light of day outnumber the sand grains of Arabia. Certainly those unborn ghosts include greater poets than Keats, scientists greater than Newton. We know this because the set of possible people allowed by our DNA so massively exceeds the set of actual people. In the teeth of these stupefying odds it is you and I, in our ordinariness, that are here."

Alles blinder günstiger Zufall, urgewaltiges Glück, das wir Menschen haben. Ich weiß, es fällt schwer daran zu denken, wenn das Auto nicht anspringt, der Chef nervt und die Hämorrhoiden keine Ruhe geben. Aber vielleicht hilft ab und zu ein kurzer Gedanke daran, dass wir, egal wie es uns geht, die Gewinner der Riesenlotterie des Universums sind.

Donnerstag, 22. November 2007

Astro-Logik

Diesen Beitrag zu schreiben fällt mir schwer - komme ich doch intellektuell vom selben Ort wie die meisten meiner Leser. Astrologie - so ist die gängige Übereinkunft - ist doch diese tumbe Schwester der Astronomie und verhält sich zu dieser wie sich Alchemie zur Chemie verhält. Alte Märchen aus einer Zeit, in der Menschen noch gar nichts so recht über das Universum wussten und sich Unsinn zusammenreimten. Horoskope kennt man eigentlich nur aus Zeitschriften, wo offenbar der Praktikant auf der letzten Seite unbedingt noch etwas Inhalt hineinpressen musste und einem Mitte nächster Woche die Begegnung mit der großen Liebe des Lebens prophezeit.
 
Klar ist auch: Menschen deuten gerne allgemeine Aussagen so, dass sie zum eigenen Welt- und Selbstbild passen. So gab es 1979 ein wunderschönes Experiment: Man hat einer Vielzahl von Menschen angeblich für sie maßgeschneiderte Horoskope zu lesen gegeben und sie danach gefragt, wie genau ihre Persönlichkeit beschrieben wurde. Mehr als 90 % waren begeistert. Was sie nicht wussten: Man hatte ihnen das exakt gleiche Horoskop gegeben - das eines Massenmörders.

Also - causa finita? So einfach ist es dann aber doch nicht. Die eingangs beschriebene Karikatur der Astrologie kann und sollte tatsächlich niemand ernst nehmen. Sie wird aber auch von niemandem ernsthaft vertreten. Bevor man sich also an die Demontage wagt, sollte man zunächst verstehen, was konkret man demontieren will. 

Himmelskörper stehen im modernen Verständnis der Astrologie nicht - nicht! - für konkrete Ereignisse. Sie symbolisieren Prinzipien, Archetypen, Schablonen, die sich auf vielfältige Weise in unserem Leben ausdrücken können:
 
Saturn steht etwa für: Beschränkung, Verhärtung, Verlust, Stillstand.
Pluto steht für: Intensität, Transformation, Tod, Abgründe.

Zu einem beliebigen Zeitpunkt stehen Himmelskörper an Positionen in einem 360- Grad- Diagramm. Himmelskörper können demnach beispielsweise in "harten Aspekten" zueinander stehen, also genau gegenüber (180°), genau an derselben Stelle oder genau quer (90°). Harte Aspekte verstärken, steigern und entfesseln das, was Himmelskörper symbolisieren.

Na dann schauen wir einmal auf die letzten 100 Jahre: Saturn und Pluto (Bedeutung siehe oben) standen zueinander in harten Aspekten im:
 
Sommer 1914 (Beginn 1. Weltkrieg)
Anfang 1930 (Weltwirtschaftskrise)
Spätsommer 1939 (Beginn 2. Weltkrieg)
Frühling 1948 (Beginn Kalter Krieg + Nahostkonflikt)
Nach einigen kleineren Verwerfungen (jeweils Vietnam-, Jom-Kippur-, Sechstagekrieg & Beginn der Aids-Epidemie) kamen dann wieder die Hammer:
Spätsommer 2001 ("9/11" und die nachfolgenden Kriege)
Herbst 2008 (Kollaps von Lehman Brothers und die Weltfinanzkrise)
Januar 2020 (der Zeitpunkt, zu dem das Sars-CoV2-Virus nicht mehr kontrollierbar wurde)
 
Es gibt noch viele weitere Vorkommnisse, so etwa 1348 (Beulenpest in Europa) und 1618 (Beginn dreißigjähriger Krieg). Aber fürs Erste wird ein Muster erkennbar.

Und nun? Was folgt aus diesem Muster? Der rein physikalische Einfluss der Sterne oder Planeten im Moment der Geburt auf den Menschen ist verschwindend gering. Von den vier bekannten Kräften der Physik erreicht im Regelfall nur die Gravitationskraft der Himmelskörper das Neugeborene. Und da die Gravitation mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, übt die Hebamme eine um ein Vielfaches höhere Kraft auf das Baby aus als Uranus. 

Das bedeutet, dass man anhand der Astrologie konkrete Ereignisse in der materiellen Welt nicht hinreichend sicher vorhersagen kann, dies schon aufgrund der Unschärferelation nicht, die eine in die Materie eingebaute grundsätzliche Messunsicherheit darstellt. Was also die Astrologie "misst" und "abbildet", sind mentale Zustände, psychische Befindlichkeiten. Astrologen wollen also herausgefunden haben, dass mit den Zyklen der Himmelskörper auch Zyklen des gedanklichen und gefühlsmäßigen Erlebens einhergehen, die Menschen beeinflussen können. Das ist alles, was die Astrologie nach dem modernen Verständnis zum Gegenstand hat. Kein Astrologe wird vorhersagen können (und wollen), wann man eine Gehaltserhöhung bekommt. Jedoch ist die Ambition, dem Menschen sagen zu können, was er zu welchem Zeitpunkt ungefähr denken, wollen und fühlen wird, und welche Phasen in seinem Leben hinterher eine besondere Bedeutung für ihn haben werden. 

Das ist, auch wenn man demnach den wissenschaftlich-positivistischen Anspruch deshalb fallen lassen muss, schon ziemlich viel. Das Universum scheint, wenn man dieser Theorie folgt, ein eingebautes mentales Element zu besitzen, welches zyklisch auf Menschen einwirkt. Die Frage, wie das denn praktisch vonstatten gehen soll, woher sich denn diese Zyklen des mentalen und psychischen Erlebens ergeben, und welche Mechanismen dem zu Grunde liegen, ist der Naturwissenschaft weitgehend entzogen. Damit können einige Leser das Thema - nachvollziehbar - nunmehr wieder für irrelevant erklären, einige andere jedoch könnten neugierig werden. Eine "ernsthafte" astrologische Beratung kostet immerhin über 100 € pro Stunde; es sollen von Akademikern bis zu Vorständen von börsennotierten Unternehmen alle möglichen Leute ohne Verdacht auf primitive Leichtgläubigkeit diesen Rat einholen. Man darf weiter gespannt bleiben.

 

 

 

 


Mittwoch, 21. November 2007

Gottes-FAQ

Häufig gestellte Fragen - oder besser: häufig vorgebrachte Argumente für Gottes Existenz (die aber alle nichts taugen). Zur Einleitung siehe Gotteshypothese.



- Aber irgendjemand muss doch den Big Bang ausgelöst haben.

Nein, nicht unbedingt. In der Quantenmechanik sind schon lange Phänomene bekannt, die - wirklich! - ohne Ursache sind. Sie heißen Quantenfluktuationen. Der leere Raum, das Vakuum, ist gar nicht so leer - ständig entstehen und vergehen Teilchen, und zwar ohne jede Ursache, einfach so. Es gibt also im Universum Phänomene ohne einen Auslöser. Am Wichtigsten ist aber: Das Argument beweist nur die Notwendigkeit einer - wie auch immer beschaffenen - Ursache für den Urknall, nicht aber eines personifizierten Gottes, der uns liebt, uns Speisevorschriften gibt und sich um unser Sexualleben sorgt. Es kann ganz einfach ein weiteres, uns noch nicht bekanntes Naturgesetz oder -ereignis sein, das den Big Bang verursacht hat, die Existenz Gottes ist damit keinesfalls bewiesen.

- Aber ohne Gott gibt es keine Moral. 

Ein Evergreen in Diskussionen und natürlich ein Märchen. Selbst die Religiösen befolgen allein und ausschließlich ihre eigene Moral, stellen es aber so dar, als wolle Gott es so (experimentelle Bestätigung hier). Was sie eigentlich machen ist: Sie vergessen die "bösen Stellen" der Heiligen Schriften, stützen sich nur auf die guten - und benutzen sie als eine Quelle, die ihrer persönlichen Ansicht Autorität verleiht ("...denn wie schon in der Bibel steht,.."). Wenn man die Bibel wörtlich nimmt, muss man rebellische Söhne genauso töten wie nicht jungfräuliche Bräute und am Samstag arbeitende Menschen (!), ebenso Frauen, die nicht laut genug schreien, wenn sie in der Stadt vergewaltigt werden. Diese Stellen zitieren wir nie, weil sie sich für unsere heutigen moralischen Standards nicht (mehr) eignen. Wie erkennen wir aber, dass wir das Liebesgebot Jesu, nicht aber Gottes Anordnungen von Massenmorden hochpreisen sollen? Die Antwort liegt auf der Hand: Wir jagen alles, was wir lesen, durch unser eigenes Moral-Barometer und schauen, was es anzeigt. Zeigt es auf Grün, zitieren wir schwülstig und erhaben die entsprechende Passage. Sonst sagen wir verlegen: "Das ist aus dem Kontext/nicht so gemeint/eine Metapher". (Mehr dazu in diesem Beitrag). Letztlich ist also die "religiöse Moral" eines jeden Menschen nur der Spiegel seiner selbst. Wie Deschner zutreffend meinte: "Jeder hat zunächst den Gottesglauben, den man ihm aufgeschwatzt hat; aber allmählich hat er den, den er verdient".

Noch nicht überzeugt? Ein Gedankenexperiment: Angenommen, es wird in Palästina eine vergessene Bibel-Papyrusrolle gefunden, an deren Echtheit und Zugehörigkeit zum Rest der Heiligen Schrift kein Zweifel besteht. Angenommen, es steht dort geschrieben (leicht anachronistisch): "Fahrradfahren ist eine Sünde - alle Radfahrer sollen deshalb mit 30 Peitschenhieben bestraft werden. In Ewigkeit, so befehle ich's Euch. Hochachtungsvoll, Gott." Würdest Du sowas befolgen? Immerhin - es stammt von Gott und gehört zur Bibel dazu. 99% der religiösen Menschen, die ich kenne, würden es nicht tun und sich auf den "noch unentdeckten tieferen Sinn" berufen, der eine "zu wörtliche Interpretation verbietet". Warum? Weil das göttliche Gebot den Test durch das innere Moral-Barometer nicht bestanden hat.

Plato hat vor 2.500 Jahren das grundsätzliche Problem erkannt und in einem seiner Werke beschrieben. Namentlich dieses: Ist etwas nur deshalb gut, weil Gott es sagt, dann wären Greueltaten wie Raub und Mord gut, wenn Gott sie billigen würde - ein absurdes Ergebnis. Moralfragen wären dann vollständig seiner Willkür überlassen. Zu sagen aber, dass der Gott so etwas grundsätzlich nicht begrüßen könne, weil es nicht gut sei, bedeutet zuzugeben, dass es eben einen vom reinen Willen Gottes getrennten, zusätzlichen und selbständigen Begriff von "Gut" gibt. Und damit fällt das Argument auseinander. Moralische Grundsätze gibt es höchstens neben Gottes Existenz, nicht aufgrund von ihr.

Ein Mensch, der nur deswegen nicht raubend und mordend durch die Straßen zieht, weil es in einem alten Buch befohlen ist, ist wirklich ein ganz, ganz armseliges Exemplar. Die meisten stützen sich hingegen auf ihren ganz eigenen Sinn für Gut und Böse, einen Sinn, der durch die Evolution des Menschen als eines sozialen Wesens fest einbetoniert ist, und den sogar Schimpansen in ähnlicher Ausprägung haben. Viele "göttliche" Sittengebote aus der Bibel sind im Übrigen ohnehin veraltet oder gar lachhaft, vgl. etwa Deut 22:11, Deut. 23:14 oder  Deut. 25:11.


- Aber erst Gott gibt dem Leben einen Sinn.
Na, ich weiß nicht. Ich persönlich sehe keinen Lebenssinn darin, jemand anders zu verehren und vor ihm auf die Knie zu fallen. Den Sinn des Lebens in einer Existenz nach dem Tod zu suchen ist zudem mehr als zweifelhaft. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist sowieso grundsätzlich falsch gestellt: Es gibt keinen weisen, geheimnisvollen "Sinn", den ein Eingeweihter uns eröffnen könnte. Das Leben hat keinen Sinn, es ist das Produkt einer Jahrmillionen lang währenden, zufallsbasierten, aufgrund von Naturgesetzen immer komplizierter werdenden Kette von elektro-chemischen Reaktionen auf Kohlenstoffbasis, ob man es mag oder nicht. Jeder von uns ist halt da auf der Welt, hineingeschmissen ins Leben, weil unsere Eltern es so wollten. Die richtige Frage ist vielmehr: Jetzt, wo ich da bin, was fange ich mit meinem Leben an, was will ich erfahren, erleben, lernen? Was für eine Art Mensch will ich sein? Wenn ich diese Fragen für mich beantworte, gebe ich selbst meinem Leben eine subjektive Richtung, aber keinen Sinn. Einen "objektiven" Sinn des Lebens, den jemand anders für uns festlegt, gibt es für uns selbstbestimmte Wesen nicht.

- Aber Hitler war Atheist - und schau mal, was er angerichtet hat. 

Erstens: Hitler war römisch-katholisch und zahlte immer brav die Kirchensteuer. In "Mein Kampf" finden sich immer wieder Phrasen wie "Gott will, dass ich die Welt von den Juden befreie" usw., auch schrieb er diesbezüglich u.a. an den Papst Pius XII: "Wir setzen fort das Werk der Katholischen Kirche".

Zweitens: Selbst wenn Hitler Atheist gewesen wäre (Stalin war zB wirklich einer und ein ebenso schrecklicher Despot, ist also ein besseres Beispiel für das Argument): Die Nazi-Ideologie wie auch der Stalinismus hatten alle Attribute einer Religion. Es gab Propheten, die die Wahrheit gepachtet haben; es gab Heilige Schriften, die nicht angezweifelt werden durften. Es gab diffuse Versprechungen einer besseren Zukunft, wenn man nur dem Alpha-Männchen blind glaubt. Und es gab Inquisition gegen Ketzer.

Drittens: Also gut, angenommen, Hitler war Atheist. Er war aber auch ein Vegetarier. Er sprach deutsch. Er trug einen Oberlippenbart. - Alles abschaffen, bloß weil Hitler so war? Unsinn - er beging die ganzen Greueltaten ja nicht, weil er Atheist war. Da gibt es keine erkennbare Kausalität. Er war einfach ein megalomanisches Arschloch. Und solche gab es unter Gläubigen in der Menschheitsgeschichte ebenso. Eher haben es Stalin, Hitler, Pol Pot & Co. nur deshalb "geschafft", so viele Menschen zu töten, weil sie die modernen technischen Mittel dazu hatten, die den christlichen conquistadores in Amerika und Kreuzzüglern im Nahen Osten einfach fehlten. Gib aber einem Islamisten eine Atombombe, schau, was er damit macht, und dann reden wir nochmal über den body count von Gläubigen und Atheisten.

- Aber Atheismus ist selbst eine Religion 

Quatsch. Wie treffend gesagt wurde, ist das Nicht-Briefmarken-Sammeln kein Hobby, also auch das Nicht-Überzeugt-Sein von Behauptungen der Religionen keine Religion. Atheismus ist nicht einmal eine Weltanschauung.
 

- Aber Einstein glaubte auch an Gott 
Ein reines billiges argumentum ad verecundiam. Dies mal ganz abgesehen davon, dass Einstein nicht an den biblischen Gott glaubte, sondern wenn überhaupt, an den vernunftbasierten Gott der Deisten.

- Aber ich habe Gott persönlich erfahren 

Bist Du sicher? Bist Du sicher, dass es wirklich Gott war und nicht einfach nur Deine Einbildung eines Gottes? Verrückte hören auch Stimmen und sind fest davon überzeugt, dass sie real sind. Das menschliche Gehirn ist dafür berüchtigt, bei unbekannten Erfahrungen und Wahrnehmungen bekannte Muster und Erklärungen zu suchen, um sich einen Reim daraus machen zu können. Der Neurologe Michael Persinger hat sogar eine "Gottes-Maschine" konstruiert, mit der man durch Erzeugung komplexer magnetischer Felder im Schläfenlappenbereich des Gehirns ein Gotteserlebnis auf Knopfdruck hervorzaubern kann. Seine Anordnungen, obwohl umstritten, vermochten sogar bei einem ausgewiesenen Skeptiker eine außerkörperliche Erfahrung und eine gefühlte "Präsenz" von etwas oder jemandem hervorzurufen.

- Aber man kann Gott nicht widerlegen 

Man kann ebenfalls nicht widerlegen, dass in meinem Bett eine blonde unsichtbare Fee in französischen Edel-Dessous liegt und auf mich wartet. Der Beweis des Negativen ist sowieso nie möglich. Aber man kann Phänomene für unwahrscheinlich erklären. Wie zB Gott.

Gotteshypothese


Welche Gründe gibt es für die Annahme, dass ein Gott existiert? Pardon - welche rationalen, vernünftigen Gründe gibt es dafür? Denn viele haben einfach ein Gefühl, dass "es da noch mehr gibt als nur unsere Welt", sie spüren die Existenz von etwas Übernatürlichen, und dagegen kann man schwer etwas einwenden. Anders ist es aber, wenn man versucht, aus diesem Gefühl ein rational verständliches und daher für Dritte nachvollziehbares Argument zu basteln oder gar - wie die Geschichte nur zu oft zeigte - auf dieser Annahme ein politisches Unterdrückungssystem zu errichten.

Zunächst wäre da der Gott der Offenbarungsschriften. Das Gute an dieser Variante ist, dass der Gott zumindest irgendwie beschrieben, mit Eigenschaften bedacht werden kann, die sich aus diesen Schriften ergeben. So soll er ein allmächtiges, allwissendes und gütiges Wesen sein, das das Universum und uns Menschen (die er liebt) erschaffen hat, dann je nach Religion zB einen Sohn gezeugt haben, der am Kreuz starb und wieder auferstand, oder etwa der dezidierten Meinung sein, dass Homosexualität eine Sünde sei.

Gibt es rationale Gründe dafür, dass das alles wahr ist? Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung schon prima facie nicht: Denn alle anderen Götter, die die Menschheit je ersonnen hatte, waren auch so gestrickt - und sind auf dem Müllhaufen der Ideengeschichte gelandet. Selbst die Religiösen sind alle überzeugte Atheisten im Hinblick auf Thor, Zeus, Ra, die im Anus einer Kuh lebende hinduistische Gottheit "Devagana" und all die anderen bunten Gestalten. Warum dann nicht konsequent sein und den letzten Gott zur Liste addieren, der das Massensterben der Götter (im Wesentlichen aus Gründen der politischen Macht) bisher überstanden hat? Wo ist der entscheidende Unterschied?

Die meisten aufgeklärten und vernünftig denkenden Menschen von heute glauben an den Gott der abrahamitischen Offenbarungsreligionen eigentlich nur deshalb, weil er so heilig daherkommt. Subtrahiert man aber erst einmal die beeindruckenden schönen Kirchen, die Legenden von erfüllten Gebeten, die generationsweise übermittelte Ehrfurcht erregende Unantastbarkeit Göttlichen Wortes und betrachtet man das, was übrig bleibt, nüchtern, sieht man in den Quelltexten kaum mehr als das:

- bronzezeitlichen Unsinn (sprechende Schlangen, Büsche oder Esel),
- Neuaufbereitung bekannter Mythen aus dem Mittelmeerraum (Sintflut; Geburt und Aussetzung Mose),
- durch nachgewiesene Naturphänomene erklärbare Ereignisse ("Plagen" von Ägypten als banale Umweltkatastrophe infolge vulkanischer Aktivitäten).

Dabei springen einen - im Alten Testament - der in Gottesgestalt gezeichnete typische auf Loyalität angewiesene und daher eifersüchtige, misstrauische und zuweilen grausame Stammesführer eines antiken Wüstenvolkes und - im Neuen Testament - der ebenfalls in Gottesgestalt gezeichnete charismatische Wanderprediger, der, um Gehör zu finden, apokalyptische Geschichten verbreitet, geradezu an. Alles Menschen, übrigens.

OK, aber lasst uns die Offenbarungsschriften mal nicht wörtlich verstehen, sondern als einen interpretationsbedürftigen Text - wird es dann besser?

Nein, wird es nicht. Es gibt immer noch völlig unverständliche Lehren.

Ungelöst ist zB das Problem der Theodizee - die Rechtfertigung Gottes für das Leid und das Übel, das er als angeblich gütiger Herr in der Welt zulässt. Viele Erklärungsansätze sind bemüht worden, aber hinreichend zu begründen, warum Gott ein 2-jähriges unschuldiges Kind in Afrika qualvoll und elendig verhungern lässt - das ist noch keinem gelungen. Gibt es Elend, damit wir Menschen noble Helfer-Instinkte entwickeln? - Gott ist allmächtig, er muss die Erforderlichkeit des Guten nicht unbedingt durch das Leiden Anderer demonstrieren, Leiden in unvorstellbarer Menge. Ist es "die beste aller Welten" (Leibniz),  notwendigerweise mit Gut und eben auch Böse versehen, und geht es schlicht nicht besser? - Dann wäre kein Paradies möglich, wo es anscheinend allen nun doch besser gehen soll.

Manche reden sich damit heraus, dass Gott den Menschen den freien Willen (was auch immer darunter zu verstehen ist) nicht nehmen wollte. Was für ein Unsinn: Der "freie Wille" erklärt - wenn überhaupt - nur die schlechten Dinge, die Menschen einander vorsätzlich (=willentlich) antun. Wenn ein Autofahrer aber zB aus Nachlässigkeit einen Menschen überfährt, war sein Wille daran in keiner relevanten Weise beteiligt, und trotzdem ist etwas Schlechtes passiert. Ebenfalls kann die Berufung auf den freien Willen nicht die Übel erklären, die Naturkatastrophen oder schlicht tragische Zufälle anrichten.


Gebete sind ebenso sinnlose "sublimierte" Substitute für alte primitive Hexereien und Zauberkünste. Wo man früher den Waldgeist angerufen hat, damit er einem Regen verschafft, betet man heute zivilisiert zu Gott, damit er die nächste Gehaltserhöhung, baldige Genesung des Onkels oder den Mann des Lebens bewilligt. Praktische Auswirkungen von Gebeten ist übrigens etwas, was man wissenschaftlich überprüfen kann. Also prüfte man nach, zum Beispiel hier, und fand dabei - oh Wunder! - keine und teilweise sogar eine kontraproduktive Wirkung.

Und nu? Vielleicht kann man ja noch an irgendeinen anderen, persönlichen,  transzendenten, "unbiblischen" Gott ohne Eigenschaften glauben. Aber glaubt tatsächlich jemand an einen Gott, der kein Leben nach dem Tod verspricht, keine letzte Gerechtigkeit, der nicht die Welt erschaffen hat und an unserem Verhalten nicht zumindest ein bisschen interessiert ist? Außerdem: Was bleibt da denn noch übrig - höchstens ein bisschen Sehnsucht nach Mehr, ein diffuser Glaube, dass alles am Ende nun doch klappt, dass das Leben es gut mit einem meint, und dass die schlechten Dinge, die mit einem passieren, nicht das Produkt eines bösen Zufalls, sondern Teil irgendeines metaphysischen Plans, also nicht umsonst sind. Ob man so etwas Vages gleich personifizieren und "Gott" nennen muss? Vielleicht reicht einfach "Optimismus"? "Lebensfreude"? "Spiritualität"?


Hand aufs Herz: Gott erfüllt heute für uns aufgeklärte Menschen zwei Funktionen. Er ist zum einen die Joker-Karte, wenn es darum geht, die Todesangst zu überwinden, indem man sagt, der Tod sei eigentlich gar kein richtiger Tod, denn es gehe danach fröhlich weiter. Zum anderen vermittelt er uns die Illusion, nicht allein in dieser schrecklich komplizierten Welt zu sein, die wir nur schwer kontrollieren können. Dass wir den Zufall, der die Welt oft mehr regiert, als uns lieb ist, doch ein bisschen steuern können. Er ist die letzte unvernünftige Hoffnung auf ein gutes Ende, wenn die Vernunft bei Problemen nicht mehr weiterhilft. Allerdings ist gerade die Vernunft unser größtes Kapital. Wie Bertrand Russell sagte: "Selbst wenn uns die offenen Fenster ... nach der gemütlichen Wärme der traditionellen, vermenschlichenden Mythen zunächst vor Kälte erschauern lassen, so macht uns die frische Luft am Ende stark".

Zu den oft vorgebrachten Konter-Argumenten siehe Gottes-FAQ.

Montag, 19. November 2007

Pulp Fiction


... keine Fiktion, sondern echte Geschichten aus dem Berliner Kriminalgericht...



Beschuldigter vor Gericht:

- Also Herr Richter, ich bin ein sehr friedfertiger Mensch, wirklich. Ich schlage nicht einmal meine Freundin!...


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Zeugin (auf Angeklagten zeigend): Er sagte zu mir "Du hast ja dicke Titten!"
Verteidiger des Angeklagten: Ich kann alles erklären. Mein Mandant hörte in diesem Augenblick das auf seinem Handy gespeicherte Lied "Du hast ja dicke Titten" - und er sang halt ein bisschen mit...

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Aus einer Urteilsbegründung:

"... Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass sich eine Freiheitsstrafe um so härter auswirkt, je länger sie ist..."


(Was für eine revolutionäre Erkenntnis!..)

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Zitat aus einem Verteidiger-(!)Schriftsatz:


"Das Gericht übersieht im vorliegenden Fall, dass in der Strafprozessordnung nirgendwo die Regelung zu finden ist, dass der Verteidiger intelligent sein muss."


Wie wahr, wie wahr...

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Lebensbeichte eines Beschuldigten (Zitat):

"Den Tag verbringe ich mit Rumrennen und Scheißebauen..."(Tun wir das nicht alle?)

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Richter zum biochemischen Gutachter: Lässt sich anhand der DNA-Spuren feststellen, ob die angeklagte Mutter ihre Tochter mit dem Ledergürtel geschlagen hat?
Gutachter: Ob das Mädchen geschlagen wurde, kann ich nicht sagen. Mutter und Tochter sind das jedenfalls nicht...

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Vor Gericht steht ein Halbstarker muslimischen Hintergrunds wegen Diebstahls.

Angeklagter: Ich erkenne Sie nicht an, Richter, meine einzige Autorität ist der Koran!
Richter (holt unter dem Tisch eine deutsche Koran-Ausgabe heraus und liest vor): Na mal schauen - "einem Dieb soll man die Hand abschlagen..." - hmm, was machen wir jetzt?

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Richter: Stimmt es, dass Sie im Jahre 2007 in der Jugendhilfeeinrichtung XY einen Schrank angezündet haben?
Angeklagter: Stimmt.
Richter: Können Sie mir auch erklären, warum Sie das getan haben?
Angeklagter: Die Betreuer haben mir den Strom abgestellt, und ich brauchte Licht...

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Ein Stalker schreibt seiner Ex-Freundin: "Du hast vielleicht die Polizei. Aber ich - ich habe ALLAH!"

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Polizeiprotokoll: "Ich eröffnete dem Beschuldigten den Tatvorwurf und belehrte ihn über seine Rechte. Dieser antwortete mit höhnischem Gelächter und deutlich hörbaren Blähungen."


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Opfer eines Überfalls mit einer bemerkenswerten Anatomie wird befragt:

"Sind Sie verletzt worden?"
"Ja, eine Prellung am unteren linken Auge" 



(Aktualisierung folgt laufend...)